In der heißesten Woche am Ende des Schuljahres mit Sechzehnjährigen täglich viele Stunden schreiben?
Als ich am Montagmorgen in aller Herrgottsfrühe nach Feldkirch fuhr, fand ich diese Idee plötzlich alles andere als verlockend. Jugendliche haben Besseres zu tun, als sich freiwillig die Finger an der Tastatur wund zu tippen, um sich literarisch zu ergießen. Jugendliche hängen sowieso nur im Netz, chatten sinnlos in der Gegend herum, sind mit ihren Handys verwachsen und können keinen geraden deutschen Satz formulieren. Bücher besitzen sie sowieso kein, nicht mal mehr ein Telefonbuch.
Denkste.
Ich kam in Berührung mit einer Gruppe Menschen, die die gleiche unstillbare Leidenschaft haben wie ich – nämlich sich Geschichten auszudenken und sie aufzuschreiben, egal, ob es im Klassenzimmer 38 Grad hat und es nicht möglich ist, ein Fenster zu öffnen, weil draußen mit einem fauchenden Flammenwerfer ein Dach repariert wird, der Rasenmäher knattert und Kinder schreien.
Einige von ihnen haben bereits mehrere Romane geschrieben. Sie entwickeln hochkomplexe Welten, erfinden interessante Figuren und leben ihre Fantasie aus. Sie schreiben über jüdische Sternenjungen, über einen Magier als Vater, über den letzten Menschen auf Erden, über ein Gespräch zwischen Gott und einem Atheisten, über Kämpfe gegen übermächtige Gegner und über eine Psychopathin, die in einer Zuckerfabrik Kinder vergräbt. Sie schreiben auf deutsch und auf englisch. Sie diskutieren über Bücher. Sie kennen ihre Literatur.
Am Donnerstag sitzen zwei Mädchen mit bleichen Gesichtern und etwas ramponiert in der ersten Bank, die Köpfe auf ihre Laptops gelegt für einen Fünf-Minutenschlaf. Sie haben die Nacht durchgemacht, Oberstufen-Halbzeit gefeiert. Ich lege ihnen ans Herz nach Hause zu gehen. Sie bleiben. Sie schreiben. Sie schreiben todmüde bei Höllenlärm und Affenhitze. Sie vergessen die Pause. Sie bleiben wie die anderen einfach da. Freiwillig. Ich brauche ihnen nicht viel zu geben, nur Raum und Zeit, sich dem zu widmen, was sie lieben – das Schreiben.