Auf Friedhöfen gehe ich gern spazieren. Gelbe Blätter rascheln unter den Füßen. Nebel wabert. Schöne Namen auf Grabsteinen schreibe ich auf und lasse sie in Geschichten weiterleben. Am Babyfriedhof ruhen Knabe Petrov, Sonja, Abderrahman, Lars und Alena. Von Regen und Wind durchnässte und zerzauste Kuscheltiere halten mit hängenden Ohren wacker die Stellung an den kleinen Gräbern der Totgeborenen. Die Windräder drehen sich weiter.
Astrid Lindgren las während eines Spaziergangs im Friedhof von Vimmerby auf einem Grabstein eine Inschrift von zwei jungen Brüdern, die in den 1880er Jahren gestorben waren und schrieb die Brüder Löwenherz. Viel Kritik musste sie einstecken. Man warf ihr vor, den Tod zu verharmlosen, Selbstmord zu befürworten und dass sie es überhaupt wagte, Kindern dieses Thema zuzumuten. Zum Vorlesen eignet sich nichts besser. „Ich wusste gar nicht, dass ein Buch so spannend sein kann“, sagte ein Elfjähriger, der es sich ausleihen und weiterlesen musste, es war sein erstes Buch. Heute wird in Kinderbüchern viel und gern gestorben und noch lieber getrauert – um Opa Elefant, den lieben Dachs, um Ente, Tod und Tulpe, Mama, Schwester, Vater, Bruder, und um die Oma, die im Himmel ist und von oben auf dich aufpasst. Kinderbücher zelebrieren Die besten Beerdigungen der Welt. Gut so. Denn sind Geschichten nicht genau dafür da? Um die Vorstellung an den Tod besser ertragen zu können?
Text erscheint in der Kolumne Kramers Kinderstube im Magazin des Österreichischen Buchhandels.