Da fängt man an Bücher zu schreiben. Die Bücher stehen plötzlich in Regalen. Dann bekommt man Anfragen für Lesungen und freut sich sehr und sagt zu allem JA. Und plötzlich fährt man kreuz und quer in der Weltgeschichte herum, packt nur noch Koffer ein und aus und merkt, dass man droht zu einem Vorlesemonster zu mutieren… Ein ereignisreicher Herbst liegt also hinter mir.
Ich las auf wunderschönen Bühnen …
In traumhaften Sälen…
Und in nicht so traumhaften…
In diesem Turnsaal waren die Wände minzgrün-grau getüncht und die Temperaturen lagen bei 16 Grad. Die Schüler hockten zusammengekauert auf Langbänken und hatten rote Nasen. Zugehört haben sie trotzdem. Die Lesung war schön, die Lehrer und der Direktor großartig. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass nur die inneren Werte zählen … und der Kaffee, den es im Lehrerzimmer gibt.
Ich war auf grandiosen Festivals, wie dem Rheinischen Lesefest, bei dem 55 Autoren gelesen haben.
Kirsten Boie lud mich zu einem Glas Wein ein. Hermann Schulz erzählte mir, wie das Bilderbuch “Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat” entstanden ist und auf welch abenteuerliche Weise er Wolf Erlbruch kennengelernt hat. Ich durfte dabei sein, wie Nasrin Sige, Lutz van Dyke, Dagmar Chidolue, Antje Herden und Hermann Schulz über Afrika diskutierten. Es ist schön, die Menschen hinter den Autorennamen kennenzulernen. Plötzlich bekommen die Bücher in meinen Regalen eine andere Bedeutung.
Faszinierend finde ich, wie man die Grundstimmung an einer Schule schon beim Eintreten spürt. Diese Bühne hier war besonders schön. Natürlich. Bei so schönen Büchern…
Ach ja, und die Deutsche Bahn: Eine defekte Tür schon vor Biberach, Triebwerkschäden, kaputte Klimaanlagen und Toiletten, Polizeieinsätze, defekte Weichenstellungen, vorangehende Züge, Verspätungen, Waggonumstellungen, Waggonabhängungen, Waggonstreichungen – ihr kennt das ja. Man muss sich nur darauf einstellen, dass man eine Stunde später oder an einem anderen Ort ankommt, dann ist alles gar nicht so schlimm. Nur falls jemand von euch in Ulm umsteigen muss, seid gewarnt – die Verbindung von Ulm nach Lindau klappt NIE! Und der Ulmer Bahnhof, also ehrlich…
Bei manchen Zugfahrten musste ich wieder an meine fliegenden Freunde denken, die mich auslachen, weil ich den Flugverkehr rund um diesen Globus für einen ökologischen Irrsinn halte. Aber Fliegen mitsamt der Mineralölsteuerbefreiung, das ist eine heilige Kuh. Manchmal, nach zehn Stunden Zugfahrt und sechsmaligem Umsteigen, schaffe ich es nicht mehr, in Dornbirn auf den Bus Nummer 40 in den Bregenzerwald zu warten. Dann nehme ich ein Taxi. Das kostet in der Nacht ungefähr 35 €. Für ungefähr 10 Kilometer. Dafür fliegen andere Menschen nach Mallorca oder mal schnell London und retour. Irgendwas stimmt da nicht …
Eine Lehrerin schickte zwei ihrer 15jährigen Schüler einen Blumenstrauß für mich zu kaufen. Dieses Schmuckstück brachten sie zurück. Die Lehrerin war entsetzt, dachte die Jungen hätten ein Vermögen ausgegeben. Aber gar nicht. Die haben nur verhandelt mit dem Blumenverkäufer. 10 Euro! Passt! Hut ab, Jungs! Und vielen Dank!
Ich habe italienisch, indisch, chinesisch, türkisch, spanisch und deutsch gegessen. Kartoffeln braten können die Deutschen, habedieehre. Den Griechen in Singen kann ich euch wärmstens empfehlen. Gleich daneben steht ein Spanier – butterzarte, knusprige Dorade. Ich krieg grad’ Hunger, wenn ich daran denke…
Und natürlich habe ich wieder Peinlichkeiten erlebt, die nur mir passieren: In Bonn waren alle Autorinnen und Autoren im sechsten Stock einquartiert. Wir hatten die wahnsinnig noblen Luxus-Suiten. Mit zwei gigantischen Bildschirmen in zwei Räumen. Dort sah ich morgens um sechs, dass Trump die Wahlen gewonnen hatte und das Wort “Morgen-Grauen” bekam eine neue Bedeutung. Abends wollte ich zur Rezeption, fand in dem Hotel-Tempel aber nicht den richtigen Aufzug und nahm das Stiegenhaus. Dort war ich dann eingesperrt. Kam nicht mehr rein und nicht mehr raus. Das war nämlich kein Stiegenhaus, sondern der Notausgang. In keinem Stockwerk kam ich zurück ins Hotel und wenn ich ins Freie gewollt hätte, hätte ich eine Scheibe einschlagen müssen. Dann wär die Feuerwehr angerauscht. Nun, ich ganz schlau, zückte mein Handy. Aber leider, ich aus Österreich – kein Netz in Deutschland und das Hotel-W-Lan zu schwach. Also rief ich zuhause an und bat meinen Lebensgefährten, die Nummer des Hotels herauszusuchen. “Ich bin im Stiegenhaus eingesperrt! Bitte holen Sie mich raus.” Stiegenhaus? Die Hotelangestellte hatte keine Ahnung, wovon ich spreche. “Na die Stiege, das mit den Stufen, den Tritten, also die Treppe, im Treppenhaus!” Nach einer halben Stunde, in der ich mich wieder einmal fragte, wie bescheuert ich eigentlich bin und warum all diese Dinge immer mir passierten, öffnete mir eine Hotelangestellte und lachte sich fast kaputt. Die Frage, ob es denn kein Stiegenhaus gäbe in dem Hotel, verneinte sie, wusste nicht, was ein Stiegenhaus sein sollte und selbst ein Treppenhaus gäbe es nicht – in solchen Hotels fährt man mit dem goldenen Lift. Wer will da noch eine Stiege, Verzeihung – Treppe steigen…
Und deswegen bin ich jetzt auch ein bisschen froh, dass ich wieder zu Hause bin und schreiben und spazierengehen kann.
Nur Morgen fahre ich noch nach Erfurt zur Herbstlese.
Mal sehen, was die Deutsche Bahn wieder für Überraschungen auf Lager hat…
Sonst nehme ich das Fahrrad, und wünsche euch allen einen friedlichen Advent. Lasst uns einen Gang zurückschalten…