In Deutschland erscheinen jährlich 90.000 Bücher. Das sind 7.500 im Monat und 250 pro Tag!
„Am Ende der Welt traf ich Noah“ ist eines unter einer Million lieferbarer Bücher, und für mich trotzdem viel mehr.

Begonnen hat dieser Weg im Februar 2004, als es bitterkalt war, eisiger Nebel um die Häuser waberte und in mir der Wunsch erwachte, einen Roman zu schreiben. Ein Engel sollte darin vorkommen, ein Schutzengel vielleicht. Statt eines Engels blieb Noah übrig. Ich schrieb an Wochenenden, in Ferien und an Abenden. Ich geriet in einen Rausch, hatte keine Ahnung, wie man ein Buch schrieb, aber ich tat es einfach, mit kindlichem Vergnügen, ohne über irgendetwas nachzudenken. Dann war ich fertig und schwebte erstmal über dem Boden. Ich druckte die fünfhundert Seiten beidseitig aus, band sie zusammen und gab sie Freunden und Verwandten zu lesen. Natürlich fanden es alle großartig.

Ich verschickte das Manuskript an 40 Verlage.
Und bekam 40 Absagen.

 
Die letzte Absage kam nach drei Jahren.

An ein Ende glauben wollte ich trotzdem nicht. Was war der Grund für all die Absagen? Ich begann, mich erstmals mit dem Schreiben zu befassen. Ich machte unzählige Seminare, las Ratgeber und absolvierte ein Studium. Ich schrieb die Geschichte um und neu, bis ich endgültig aufgab, Noah für immer begrub und mich an den Jugendroman „Die indische Uhr“ machte. Auch daran schrieb ich vier Jahre. Auch dieses Manuskript verschickte ich und bekam nur Absagen. Bis ich dafür einen regionalen Verlag gewinnen konnte, der das Buch druckte, wofür ich ewig dankbar sein werde. Dann nahm mich eine Agentur unter Vertrag und alle Türen öffneten sich.

Jahre später, „Sunny Valentine`s Tropenvögel“ waren gerade erschienen, fragte mich meine Agentin Christiane Düring: „Was haste denn noch so in deiner Schublade?“ Da erzählte ich ihr von Noah. Der war eingesperrt in seiner Villa, den Grund dafür, fand auch ich nicht mehr gut. In dieser ersten Fassung war Noah gezüchtet worden, um seinem eigenen reichen Vater als Herzspender zu dienen. Gemeinsam suchten wir nach dieser einen Idee, nach dem Twist, dem überraschenden Ende. Wochenlang lieferte ich Vorschläge. Aber Christiane schüttelte nur den Kopf. „Gut, aber nicht gut genug.“ Ich begann sie zu verfluchen. Mehrmals stand ich kurz davor, alles hinzuwerfen. Aber auf einmal war sie da. Diese eine Idee, die so nahe lag und mich doch schwindlig machte. Ich recherchierte. Ich schrieb das Buch neu. Ich schrieb das Buch um.

 

Und dann kaufte Loewe das Manuskript

Die Suche nach dem Titel dauerte noch einmal viele Wochen. Ich machte hunderte Vorschläge von „Die Rückseite des Himmels“ bis „Auf der anderen Seite des Lebens“. Nichts gefiel uns. Die Zeit wurde knapp. Und irgendwann warf ich mich mit einem Notizblock aufs Sofa und stand nicht mehr auf, bis ich den Titel hatte.

Beinah wäre es noch am Cover gescheitert. Es gab viele Vorschläge. Ein Vorschlag gefiel dem Verlag, der Agentin und mir. Der Druck wurde vorbereitet. Dann kamen die Verlagsvertreter – denen gefiel zwar der Inhalt des Buches, aber das Cover fanden sie nicht stark genug. Also wurden die Druckmaschinen angehalten und in letzter Sekunde ein neues Cover entworfen.

Als das Buch gedruckt in meinem Briefkasten und schließlich in meinen Händen lag, fühlte ich gar nichts mehr. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Dass mir der Briefträger einen Blumenstrauß überreicht und mir einen Kuss auf die Wange drückt? Dass goldene Sterntaler vom Himmel fallen? Dass Geigen und Trompeten aufspielen? Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als mir klar wurde, wie viel von meiner Seele ich in diese Geschichte gepackt hatte. Wollte ich das überhaupt mit anderen teilen? Ich bekam Angst, stellte das Buch ins Regal und machte mich ganz schnell an einem anderen Roman zu schaffen. Mit Noah wollte ich nicht mehr in Berührung kommen.

Aber eines Abends, als das Buch noch nicht erschienen und ich allein zu Hause war, nahm ich es verstohlen aus dem Regal. Ich verkroch mich im Bett, schlug es auf und begann den Roman mit fremden Augen zu lesen. Nach zwei Drittel des Buches richtete ich eine ungeduldige Aufforderung an die Autorin: „Mann, das zieht sich jetzt aber, komm auf den Punkt! Warum ist er denn jetzt eingesperrt?“ Aber ich hielt durch. Und am Ende, ich muss es gestehen, war ich selbst berührt. Ja, ich glaube, das war es, was ich schreiben hatte wollen.