Ich habe den schönen Auftrag bekommen, monatlich eine Kolumne zu schreiben. Sie erscheint im Anzeiger, dem Fachmagazin für die österreichische Buchbranche. Hier der erste Versuch.
Gangsta Omas
Warum auch Erwachsene nie aufhören sollten, sich für Kinderbücher zu interessieren
Ich war live dabei, als sich der Hotzenplotz die Bratwürste in den Wampen gestopft, als der Dampf den Zwicker der Großmutter beschlagen hat. Ich habe es gerochen, das Sauerkraut und den Schnupftabak. Ich habe sie gehört, die Kaffeemühle, die Unke im Pfuhl und die Dimpfelmoser-Schreie im Spritzenhaus. Mein Herz hat geschlagen, als Hotzenplotz in die Pedale trat und die Großmutter vom Gepäckträger rief: „Herr Dimpfelmoser! Wo fahren wir denn hin?“ Schon dieses Wort. Großmutter. Die pure Verheißung. Meine hieß Oma. Großmütter gab es nur in Kinderbüchern. Oder Omamas. Die saßen meistens in Apfelbäumen. Meine saß in der Küche und las. Heute heißen die Großmütter in Kinderbüchern gern Gangsta Oma. Viele Erwachsene wissen das leider nicht. Als sie nämlich aufgehört haben, Kind zu sein, haben sie auch aufgehört, sich für Kinderbücher zu interessieren. Erst wenn sie eigene Kinder kriegen, stellen sie verzückt fest: Es gibt sie immer noch, die Raupe Nimmersatt, Jim Knopf und die drei Stanisläuse. Dass sie die Gangsta Oma und den britischen Humor von David Williams nie kennenlernen werden, ist schade für David Williams, die Kunst und die Buchbranche. Aber wenn man ein Kind ist, ist einem die Kunst und die Buchbranche herzlich egal. Hauptsache man darf einen Räuber jagen, die Großmutter befreien und auf eine Kiste pinseln: „Vorsicht Gold!“