(Dieses Foto entstand in Paris in einer Ausstellung)
Kramers Kinderstube
Ich habe einmal einen Artikel über die Buchhandlung Shakespeare & Company in Paris gelesen. Da musste ich hin. Sofort. Auf der Reise eine Lektüre: Proust? Victor Hugo? Da würde ich gut dastehen. Literarisch gesehen. Doch in der Buchhandlung am Bahnhof drehte sich in einem Buchständer ein Paris-Roman. Der Titel war mir zwar peinlich, aber vom Umschlag strahlte ein wahnsinnig schöner Franzose (blaue Augen, schwarzes Haar) mit einem Namen so cremig wie die Füllung von Macarons und einer Biographie, dass es raucht: ein Studium an der Sorbonne, Wohnungen in New York und der Toskana. Ich begann zu lesen. Und wusste schon bei der nächsten Station: Das hat kein Mann geschrieben. Die Recherche ergab: Hinter meinem jungen Franzosen steckte eine 58-jährige Verlegerin aus Düsseldorf. Ich habe ja nichts gegen Pseudonyme. Mark Twain hieß auch anders, und erstaunlich viele Kinder wissen, dass unter Erin Hunter sechs Autorinnen Warrior Cats schreiben. Aber manchmal hört sich der Spaß auf. Enid Blyton hat nur sechs Bände Hanni und Nanni geschrieben. Die meisten anderen schrieb Rosemarie Eitzert als Enid Blyton. Ich könnte mich J.K. Rowling nennen, oder Poppy J. Anderson. Den meisten Menschen ist der Name einer Autorin ja völlig wurscht ist, so lange ihnen der Text gefällt, glauben sie. Bei mir jedenfalls hat die hinterhältige Marketingstrategie gegriffen. Zumindest bis zum Kauf. Bei der nächsten Station habe ich das Buch dann in den Müllkübel geworfen.
(Kolumne erschienen im Anzeiger 03/2017 Magazin für den Österreichischen Buchhandel)